Die alten Eidgenossen
kannten die Todesstrafe sehr wohl. Alle Kantone ordneten gelegentlich diese
hдrteste aller Strafarten an und fьhrten Hinrichtungen durch. Die Kantone waren
bezьglich des Strafrechtes autonom. Von besonderer Bedeutung ist, dass in der
alten Eidgenossenschaft die einzelnen Stдnde kaum ьber geschriebenes Strafrecht
verfьgten. Oft wurde nach Landgebrauch oder nach Sitte geurteilt, was dem
Ermessensspielraum der Richter eine enorme Entscheidungsbreite zuwies. In
vielen Kantonen der Ostschweiz stьtzte man sich bei Urteilen jedoch auf die
Halsgerichtsordnung Kaiser Karl V. von 1532. Sie wurde Carolina oder
kaiserliches Recht genannt. Die Carolina hat nicht nur bei Tцtung, Raub, Diebstahl
oder auch homosexuellen Handlungen den Tod vorgesehen, sondern bei vielen
Straftatbestдnden eine zusдtzliche Strafschдrfung bestimmt. Widernatьrliche
Unzucht sollte etwa mit dem Feuertod, die Kindstцtung durch lebendiges Begraben
oder Ertrдnken bestraft werden.
Diese grausamen Strafen
wurden aber mit der Zeit gemildert. Bestrebungen zur Abschaffung der
Todesstrafen im 18.Jahrhundert sind aus der Eidgenossenschaft nicht bekannt. Allerdings
hat sich Zahl der Hinrichtungen in den stдdtisch beherrschten Kantonen
zumindest reduziert.
Wдhrend es im Kanton Zьrich
im 17.Jahrhundert noch 327 gegeben hatte, waren es im 18.Jahrhundert
"nur" noch 145 Exekutionen. Die Hinrichtungen wurden auch in der
Eidgenossenschaft zur allgemeinen Abschreckung цffentlich vollzogen.
In vielen Kantonen kam es
im Laufe des 18.Jahrhunderts immer wieder zu regelrechten Kriegen zwischen
befeindeten Patrizier-Familien. Im Kanton Appenzell-Innerrhoden wurde z.B.
Landammann Anton Josef Sutter am 19.Mдrz 1784 gekцpft. Der Hinrichtung waren
Fehden zwischen den Familien Geiger und Sutter vorausgegangen.
Durch die franzцsische
Besetzung am 1.April 1799 wurde kantonale Hoheit in Strafsachen aufgehoben und
durch das peinliche Helvetische Gesetzbuch ersetzt, dass fьr die ganze Schweiz
galt. Dieses Gesetzbuch fьhrte mit Ausnahme der Enthauptung zur Abschaffung der
grausamen Hinrichtungsmethoden. Am 25.1.1802 die Todesstrafe sogar auf
Diebstahl ausgeweitet. Trotz dieser harten Strafen nahm die Kriminalitдt zu.
Nach 1803 kehrten alle
Kantone zu ihrer alten Rechtstradition zurьck. Die meisten Stдnde kannten noch
immer kein geschriebenes Strafrecht, und die meisten sind auch erst anfangs des
19.Jahrhunderts dazu ьbergegangen solche zu schreiben. Viele Kantone fьhrten
die Carolina, allerdings in abgemildeter Form wieder ein.
In St.Gallen sprach das
dortige Appellationsgericht zwischen 1803 und 1848 27 Todesurteile aus. 17mal
waltete der Scharfrichter in der Leimat (dort, wo heute die Olma ist) seines
Amtes.
Am 29.November 1843 wurde
als letzter im Kanton St.Gallen der Mцrder Peter Waser hingerichtet. Den
Vollzug besorgte der 72 jдhrige Johannes Bettenmann, Scharfrichter aus
Altstдtten.
Bettenmanns Sohn Johann
Baptist ьbernahm das Amt des Vaters und vollzog auch die letzte Hinrichtung im
Appenzell-Ausserhoden. Er enthauptete am 1.Juli 1862 in Trogen den Raubmцrder
Johann Ulrich Schlдpfer, den ich spдter noch genauer beschreiben werde. Zwar
wurden noch viele Todesurteile ausgesprochen, aber die Delinquenten wurden
jedesmal begnadigt.
Immer mehr kamen Stimmen
auf, die die vцllige Abschaffung der Todesstrafe in der ganzen Schweiz
forderten.
1874 kam es zur heute noch
massgeblichen Totalrevision der Bundesverfassung. Als diese in Kraft trat,
wurden in der Schweiz seit sechs Jahren keine Hinrichtung mehr durchgefьhrt. Liberale
Kantone, die die Todesstrafe bereits abgeschafft hatten, konnten einen
Verfassungsartikel, der die Todesstrafe in der ganzen Schweiz verbot,
durchsetzen.
In der Zeit nach der
Verfassungsrevision von 1874 hatte sich die wirtschaftliche Situation der
Schweiz innert kurzer Zeit enorm verschlechtert. Die darauschliessende Zunahme
der Kriminalitдt, insbesondere einige schreckliche Mordfдlle, fьhrten nun in
einigen Kantonen zu einer wahren Volksbewegung fьr die Wiedereinfьhrung der
Todesstrafe. In vielen Teilen der Schweiz wurden Unterschriften fьr die
Wiedereinfьhrung der Todesstrafe gesammelt. So erreichten diese Gruppen eine
Volksabstimmung am 18.Mai 1879 ьber die Wiedereinfьhrung der Todesstrafe
(Revision des Artikel 65 BV). Die Revision wurde mit 200.485 Ja-Stimmen zu
181.588 Neinstimmen angenommen.
1. |
Luzern
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1892
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F. Gatti |
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Nur sehr
wenige Kantone wandten die Todesstrafe nach 1879 an, wie die Liste hier
zeigt. |
2. |
Luzern
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1892
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J. Keller |
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3. |
Schwyz
|
1894
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D. Abegg |
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4. |
Freiburg
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1902
|
E. Chatton
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5. |
Luzern
|
1909
|
M. Muff |
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6. |
Luzern
|
1915
|
A.
Wьtschert |
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7. |
Uri
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1924
|
C. Bernet |
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8. |
Zug
|
1939
|
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9. |
Obwalden
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1940
|
H.
Vollenweider |
Die letzte zivile
Hinrichtung in der Schweiz wurde an dem dreifachen Mцrder Hans Vollenweider im
Kanton Obwalden vollzogen. Er wurde am 23.6.1939 festgenommen, und nach langen
Gerichtsverhandlungen wurde schliesslich sein Gnadengesuch abgelehnt. Er wurde
am 18.Oktober 1940 in Sarnen, mittels der von Luzern ausgeliehenen Guillotine,
hingerichtet.
Nicht einmal zwei Jahre
spдter wurde am 1.Januar 1942 die Todesstrafe gдnzlich fьr zivile Straftaten
abgeschafft. Es sollte aber noch ganze 50 Jahre gehen bis die Todesstrafe auch
im Militдrstrafrecht abgeschafft wurde und somit hoffentlich fьr immer aus der
Schweizer Geschichte verschwinden wird.