Die Geschichte der Todesstrafe in der Schweiz

Die Todesstrafe in der Schweiz vor 1848

Die alten Eidgenossen kannten die Todesstrafe sehr wohl. Alle Kantone ordneten gelegentlich diese hдrteste aller Strafarten an und fьhrten Hinrichtungen durch. Die Kantone waren bezьglich des Strafrechtes autonom. Von besonderer Bedeutung ist, dass in der alten Eidgenossenschaft die einzelnen Stдnde kaum ьber geschriebenes Strafrecht verfьgten. Oft wurde nach Landgebrauch oder nach Sitte geurteilt, was dem Ermessensspielraum der Richter eine enorme Entscheidungsbreite zuwies. In vielen Kantonen der Ostschweiz stьtzte man sich bei Urteilen jedoch auf die Halsgerichtsordnung Kaiser Karl V. von 1532. Sie wurde Carolina oder kaiserliches Recht genannt. Die Carolina hat nicht nur bei Tцtung, Raub, Diebstahl oder auch homosexuellen Handlungen den Tod vorgesehen, sondern bei vielen Straftatbestдnden eine zusдtzliche Strafschдrfung bestimmt. Widernatьrliche Unzucht sollte etwa mit dem Feuertod, die Kindstцtung durch lebendiges Begraben oder Ertrдnken bestraft werden.

Diese grausamen Strafen wurden aber mit der Zeit gemildert. Bestrebungen zur Abschaffung der Todesstrafen im 18.Jahrhundert sind aus der Eidgenossenschaft nicht bekannt. Allerdings hat sich Zahl der Hinrichtungen in den stдdtisch beherrschten Kantonen zumindest reduziert.

Wдhrend es im Kanton Zьrich im 17.Jahrhundert noch 327 gegeben hatte, waren es im 18.Jahrhundert "nur" noch 145 Exekutionen. Die Hinrichtungen wurden auch in der Eidgenossenschaft zur allgemeinen Abschreckung цffentlich vollzogen.

In vielen Kantonen kam es im Laufe des 18.Jahrhunderts immer wieder zu regelrechten Kriegen zwischen befeindeten Patrizier-Familien. Im Kanton Appenzell-Innerrhoden wurde z.B. Landammann Anton Josef Sutter am 19.Mдrz 1784 gekцpft. Der Hinrichtung waren Fehden zwischen den Familien Geiger und Sutter vorausgegangen.

Durch die franzцsische Besetzung am 1.April 1799 wurde kantonale Hoheit in Strafsachen aufgehoben und durch das peinliche Helvetische Gesetzbuch ersetzt, dass fьr die ganze Schweiz galt. Dieses Gesetzbuch fьhrte mit Ausnahme der Enthauptung zur Abschaffung der grausamen Hinrichtungsmethoden. Am 25.1.1802 die Todesstrafe sogar auf Diebstahl ausgeweitet. Trotz dieser harten Strafen nahm die Kriminalitдt zu.

Nach 1803 kehrten alle Kantone zu ihrer alten Rechtstradition zurьck. Die meisten Stдnde kannten noch immer kein geschriebenes Strafrecht, und die meisten sind auch erst anfangs des 19.Jahrhunderts dazu ьbergegangen solche zu schreiben. Viele Kantone fьhrten die Carolina, allerdings in abgemildeter Form wieder ein.

In St.Gallen sprach das dortige Appellationsgericht zwischen 1803 und 1848 27 Todesurteile aus. 17mal waltete der Scharfrichter in der Leimat (dort, wo heute die Olma ist) seines Amtes.

Am 29.November 1843 wurde als letzter im Kanton St.Gallen der Mцrder Peter Waser hingerichtet. Den Vollzug besorgte der 72 jдhrige Johannes Bettenmann, Scharfrichter aus Altstдtten.

Die Todesstrafe in der Schweiz nach 1848

Bettenmanns Sohn Johann Baptist ьbernahm das Amt des Vaters und vollzog auch die letzte Hinrichtung im Appenzell-Ausserhoden. Er enthauptete am 1.Juli 1862 in Trogen den Raubmцrder Johann Ulrich Schlдpfer, den ich spдter noch genauer beschreiben werde. Zwar wurden noch viele Todesurteile ausgesprochen, aber die Delinquenten wurden jedesmal begnadigt.

Immer mehr kamen Stimmen auf, die die vцllige Abschaffung der Todesstrafe in der ganzen Schweiz forderten.

1874 kam es zur heute noch massgeblichen Totalrevision der Bundesverfassung. Als diese in Kraft trat, wurden in der Schweiz seit sechs Jahren keine Hinrichtung mehr durchgefьhrt. Liberale Kantone, die die Todesstrafe bereits abgeschafft hatten, konnten einen Verfassungsartikel, der die Todesstrafe in der ganzen Schweiz verbot, durchsetzen.

In der Zeit nach der Verfassungsrevision von 1874 hatte sich die wirtschaftliche Situation der Schweiz innert kurzer Zeit enorm verschlechtert. Die darauschliessende Zunahme der Kriminalitдt, insbesondere einige schreckliche Mordfдlle, fьhrten nun in einigen Kantonen zu einer wahren Volksbewegung fьr die Wiedereinfьhrung der Todesstrafe. In vielen Teilen der Schweiz wurden Unterschriften fьr die Wiedereinfьhrung der Todesstrafe gesammelt. So erreichten diese Gruppen eine Volksabstimmung am 18.Mai 1879 ьber die Wiedereinfьhrung der Todesstrafe (Revision des Artikel 65 BV). Die Revision wurde mit 200.485 Ja-Stimmen zu 181.588 Neinstimmen angenommen.

1.

Luzern

1892

F. Gatti

 

Nur sehr wenige Kantone wandten die Todesstrafe nach 1879 an, wie die Liste hier zeigt.

2.

Luzern

1892

J. Keller

3.

Schwyz

1894

D. Abegg

4.

Freiburg

1902

E. Chatton

5.

Luzern

1909

M. Muff

6.

Luzern

1915

A. Wьtschert

7.

Uri

1924

C. Bernet

8.

Zug

1939

P. Irniger

9.

Obwalden

1940

H. Vollenweider

Die letzte zivile Hinrichtung in der Schweiz wurde an dem dreifachen Mцrder Hans Vollenweider im Kanton Obwalden vollzogen. Er wurde am 23.6.1939 festgenommen, und nach langen Gerichtsverhandlungen wurde schliesslich sein Gnadengesuch abgelehnt. Er wurde am 18.Oktober 1940 in Sarnen, mittels der von Luzern ausgeliehenen Guillotine, hingerichtet.

Nicht einmal zwei Jahre spдter wurde am 1.Januar 1942 die Todesstrafe gдnzlich fьr zivile Straftaten abgeschafft. Es sollte aber noch ganze 50 Jahre gehen bis die Todesstrafe auch im Militдrstrafrecht abgeschafft wurde und somit hoffentlich fьr immer aus der Schweizer Geschichte verschwinden wird.

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